Lungenklinik Ballenstedt/Harz GmbH

Das Ballenstedter Weaningkonzept

Wir übernehmen Patienten unterschiedlichster Fachrichtungen zur Beatmungsentwöhnung. Die Informationen, die wir über diese Patienten erhalten, sind selten vollständig. Befunde aus der Zeit vor dem Akutereignis (Lungenfunktion, Echokardiographie etc.) liegen uns so gut wie nie vor. Für das Weaning ist es aber von ganz entscheidender Bedeutung, die Anamnese der Patienten zu kennen. Wir müssen wissen wie das Potential unserer Patienten aussieht, um ihre Prognose einschätzen zu können. Die Prognose eines Patienten einschätzen zu können, ist klassischer Bestandteil ärztlicher Kunst und eine der wesentlichen Aufgaben des Arztes im Prozess der Beatmungsentwöhnung.

Die erste Aufgabe unserer Ärzte ist es, die Anamnese der Patienten aufzuarbeiten und aktuelle Befunde zu erheben um daraus die Prognose der Patienten zu erschließen. Dazu wird jeder unserer Patienten eingangs ausführlich untersucht. Zu diesen Untersuchungen gehört die Sonographie des Thorax (Pleuraerguss, Infiltrate, Atelektasen, Zwerchfellexkursion), des Abdomens (Illeus), eine Echokardiographie - bei schlechter Sicht transösophageal - und natürlich eine Bronchoskopie.

Intensivmedizin sollte nicht die bloße Lebenserhaltung, sondern die Wiederherstellung einer Lebensperspektive zum Ziel haben. Die Prognose wird bei uns immer offen und ehrlich mit den Patienten und deren Angehörigen besprochen. Es ist überhaupt nicht sinnvoll, hier falsche Erwartungen zu wecken. 

Die Kommunikation mit den Angehörigen findet bei uns grundsätzlich durch Ärzte und Pflege gleichermaßen statt. Selbstverständlich gibt die Pflege Auskunft über die medizinische Entwicklung des Patienten. Wer könnte diese besser einschätzen, als diejenigen, die täglich am Bett arbeiten?

Die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung bei diesen Patienten hat an sich wenig mit dem Verständnis physiologischer Grundlagen von invasiver Beatmung zu tun. Beatmungsmodi, Geräteeinstellungen etc. sind grundlegendes Handwerkszeug das wir voraussetzen. Unsere Pflege adaptiert diese Einstellungen während der täglichen Arbeit an die Bedürfnisse des Patienten. Weaningprotokolle sind grundsätzlich eher Extubationsprotokolle die ihren Stellenwert in der organisatorischen Erleichterung der einfachen Beendigung einer invasiven Beatmung haben (Weaningkategorie 1 und bedingt noch 2). Sie helfen in der Kategorie 3 des Weanings nicht. Das sind die Patienten, mit denen wir arbeiten.

Entscheidend für den Erfolg der Beatmungsentwöhnung sind neben dem Potential des Patienten (Grunderkrankungen, Kraftreserven etc.) die Ausprägung und Behandelbarkeit von Komplikationen der Langzeitbeatmung (hier seien exemplarisch die sehr häufig zu beobachtende Schluckstörung und die Darmfunktionsstörung genannt, beides klassische Probleme der Intensivmedizin), die psychische Rekonditionierung (die allermeisten unserer Patienten sind in unterschiedlicher Ausprägung delirant) und die frühzeitige muskuläre Rehabilitation.

Bis auf die Darmfunktion sind alle diese Dinge nur bei einem wachen Patienten vernünftig zu beurteilen. Unsere Patienten werden bei Übernahme sofort konsequent entsediert. Es ist in aller Regel völlig unproblematisch auch einen wachen Patienten invasiv zu beatmen. Selbst wenn über einen orotrachealen Tubus beatmet wird, auch der wird meist gut toleriert. Wichtig dabei ist, dass eine ausreichende Analgesie appliziert wird. Auch um das "Ausreichend" zu definieren sollte der Patient wach sein. Schlussendlich kann nur er uns "sagen", ob er Schmerzen hat.

Bis der Patient wach genug ist, um mitarbeiten zu können, trainieren wir die Körpermuskulatur passiv mit technischen Hilfsmitteln (NMES, Motomed- Bettfahrrad) und mittels der FOTT (Fazio Oralen Trakt Therapie) die Rachenmuskulatur. Ist der Patient wach, beginnen wir mit dem aktiven Training und der Mobilisation. Außerdem wird dann der Schluckakt endoskopisch evaluiert (wenn eine Trachealkanüle angelegt wurde). Dazu muss der Patient aktiv mitmachen können. Kann der Patient sicher schlucken werden wir versuchen die invasive Beatmung zu beenden und diese ggf. durch eine NIV zu ersetzen (die nicht invasive Beatmung vermindert die beatmungsassoziierten Infektkomplikationen und ist ein integraler Bestandteil unserer Arbeit).

Wir sind technikaffin und probieren ständig neue Dinge aus. Die im Weaning eingesetzte Technik besteht nicht nur aus Beatmungsgeräten. Man muss wissen, welche Inhalation für welche Patienten richtig ist, außerdem über welche Vernebler diese Inhalation am effektivsten in den Patienten gelangt. Die Befeuchtung des Bronchialbaumes ist genauso wichtig wie die Sekretelimination. So individuell wie die Patienten sind, so unterschiedliche Trachealkanülen könnten sie auch brauchen. Es gibt viele Gerätschaften, die uns bei der Atemtherapie oder dem Training der Patienten helfen. Zur Aufgabe der Pflege gehört es, die Möglichkeiten und Grenzen dieser Gerätschaften zu kennen und sie zielgerichtet anzuwenden.

Grundsätzlich erfordert der Prozess der Beatmungsentwöhnung im Stadium 3 eine intensive Arbeit mit dem Patienten, idealerweise in jeder Schicht auf gleichmäßig hohem Niveau. Deshalb ist die entscheidende Komponente unseres Konzeptes, dass unsere Pflegekräften Inhalte aus der Medizin (Bronchoskopie, Beatmungseinstellungen), Logopädie und Krankengymnastik beherrschen, selbstständig anwenden und in die Pflegeroutine jeder Schicht integrieren.  Ganz wichtig dabei ist, dass die Qualität der Versorgung nicht von der Anwesenheit bestimmter Personen abhängt. Unser Ziel ist es, durch intensive Ausbildung alle unsere Mitarbeiter auf ein gleichermaßen hohes Wissensniveau zu bringen. Dazu bedarf es einer hohen Eigenmotivation aller Mitglieder des Teams. Wir haben u. a. ein "Curriculum Bronchoskopie in der Pflege" etabliert. Hier vermitteln wir theoretische Grundlagen, die durch Praxis in unserer Endoskopie unterlegt werden. Das Ziel ist, dass alle Pflegekräfte selbständig therapeutisch bronchoskopieren können.

Inadäquate Entscheidungen am Lebensende führen häufig zu einer Verletzung ethischer Grundprinzipien wie „Handeln zum Wohle des Patienten“. Die Bereiche Weaning und Palliativmedizin sind eng verflochten. Wir betreuen chronisch kritisch kranke Patienten. Es ist nicht möglich, für jeden dieser Patienten eine akzeptable Lebensqualität zu erreichen. Sehr viele Patienten haben recht genau definiert, was für sie lebenswert ist. Dies ist einer der Gründe, warum es so wichtig ist, die Prognose seiner Patienten einschätzen zu können. Wir müssen dem Patienten realistisch sagen können, was ihn erwartet. Ist die Therapie nicht mehr zielführend (und das Ziel definiert der Patient, nicht der Arzt und nicht die Angehörigen), gibt es weder medizinisch noch ethisch eine Grundlage sie fortzuführen. Solche Entscheidungen überlassen wir prinzipiell nicht den Angehörigen. 

Das Team ist entscheidend für unseren Erfolg. Jedes Mitglied des Teams ist wichtig für das Gesamtgefüge. Dieses Gefüge lebt von einer sehr ehrlichen, offenen und sachlichen Kommunikation untereinander. Diese Form des Umganges miteinander ist nicht selbstverständlich und für viele ungewohnt. Mit jeder Veränderung in der Personalstruktur verändert sich auch die Kommunikation. Wir arbeiten stetig daran, das vertrauensvolle Miteinander zu erhalten.

 

 
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